Projektbeschrieb
Kolonialismus? Das geht uns nichts an! Und selbst wenn, dann ist diese Zeit längst vergangen und vergessen – So oder so ähnlich denken leider viele. Dies mag wohl daran liegen, dass wir uns lieber Geschichten erzählen, die uns schmeicheln. Die weniger schönen Episoden unserer eigenen Vergangenheit verschweigen wir hingegen gerne, rechtfertigen oder relativieren sie.
So kommt es, dass die Geschichtsschreibung zum Erzählen von Heldengeschichten verkommt, und wir die Vergangenheit insgesamt romantisch verklären. Die Alte Eidgenossenschaft? Eine Aneinanderreihung von Heldensagen, Erfolgsgeschichten und Lausbubenstreichen. Die eigene Geschichte ist selten finster und schrecklich. Im Gegenteil – wir nennen sie sogar "die gute alte Zeit".
Die nicht erzählten und verdrängten Geschichten bilden jedoch unterbewusst einen ebenso wichtigen Bestandteil unseres Daseins. Ihre Reflexion kann dazu beitragen, unser Funktionieren im Alltag, unser Herangehen an Probleme, ja die Probleme selbst in einem ganz anderen Licht zu sehen. Ein solcher Perspektivenwechsel tut gut und ist langfristig konstruktiv, auch wenn er kurzfristig unser Selbstbild auflösen kann.
Die Stadt Bern unterstützt eine Auseinandersetzung mit unserer kollektiven Vergangenheit – und schliesst dabei bewusst die Schattenseiten mit ein. Dies tut sie zum Beispiel mit der Unterstützung des Online-Stadtplans von Cooperaxion, der über Verstrickungen der Schweiz mit dem Sklavenhandel Auskunft gibt. Oder eben als Gastgeberin der Kunstinstallation von Cilgia Rageth. Die Aufarbeitung der Vergangenheit hilft uns, unsere eigenen Wahrheiten zu hinterfragen. Sie hilft uns auch dabei, die eigenen Vorurteile zu erkennen, zu verstehen und zu bekämpfen. Es fallen uns plötzlich Dinge auf, die wir vorher einfach nicht sehen konnten. Das ist wichtig, denn die Ausbeutung von Menschen ist mitnichten eine Geschichte der Vergangenheit.
Ich erhoffe mir, dass sich unsere Gesellschaft emanzipiert und lernt, mehr Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Dass es für uns selbstverständlich wird, mit kolonialem Geschichtskitsch aufzuräumen. Dass wir endlich merken, dass wir hier in der Schweiz Privilegien geniessen, die wir im wahrsten Sinne des Wortes gar nicht wirklich verdient haben. Dass unser hiesiges Leben im Vergleich mit Anderswo auch deshalb relativ angenehm und einfach ist, weil wir von Ungerechtigkeiten in der Vergangenheit profitiert haben und dies zum Teil immer noch tun.
Das ist meine Reaktion zum Thema Kolonialismus. Wie sieht es bei Ihnen aus? Schreiben Sie an meinereaktion2020[at]gmail.com
Eine Ausstellung über Kolonialismus, Menschenzoos und das Söldnerwesen? Die Schweiz hatte doch gar keine Kolonien, seit der letzten Völkerschau sind gut 60 Jahre vergangen, und Schweizer "Söldner" gibts doch heute höchstens noch in der Bundesliga ...
Stimmt: Die Schweiz hatte keine Kolonien. Aber sie kooperierte mit den Kolonialmächten und profitierte von der militärischen Aneignung von Land und Ressourcen. Die neuen Nahrungsmittel aus den Kolonien (Kartoffeln, Mais, Bohnen) halfen auch im Emmental, Hungersnöte zu überwinden.
Stimmt: Die Schweiz betrieb keinen Sklavenhandel. Aber sie profitierte davon: Ohne die von Sklaven gepflückte Baumwolle wäre die Industrialisierung der Schweizer Textilproduktion gar nicht möglich gewesen. Und oft waren Schweizer Söldner an vorderster Front dabei, wenn irgendwo in Übersee ein Sklavenaufstand niedergeschlagen werden musste – auch viele junge Emmentaler wollten der Armut entfliehen und liessen sich von den Berner Patriziern dafür anheuern.
Stimmt: Die Schweiz steht punkto Rassismus besser da als zum Beispiel die USA. Aber es gibt ihn auch bei uns, und er hat just damit zu tun, dass die Schweiz, obwohl "neutral", die Überzeugung der Kolonialmächte teilte: dass nämlich die schwarzen Afrikaner den weissen Europäern unterlegen sind.
Die Spuren von Kolonialismus und Rassismus sind bis heute zu finden. Erinnern Sie sich an die Diskussion über die Umbenennung der trendigen "Colonialbar" in Bern? An die heftige Debatte, ob man Schokoküssen nicht unter gewissen Umständen doch noch "Mohrenkopf" sagen darf? Oder an Angélique Beldner, die erste schwarze News-Moderatorin des Schweizer Fernsehens, die im Nachgang der "Black lives matter"-Demo auf dem Bundesplatz öffentlich erzählte, wie sie noch heute manchmal erlebt, dass ihr Leute ungefragt ins krause Haar greifen?
All das war 2020. Und nicht 1800. Der Kolonialismus wirkt nach, und er äussert sich meist in der Geringschätzung von Fremden. Jahr für Jahr verzeichnet die Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus gut 300 rassistische Übergriffe, Schwarze werden auch in der Schweiz häufiger von der Polizei kontrolliert als Weisse, und die Zeit, als im Schweizer Wahl- und Abstimmungskampf mit grossen Plakaten vor dem "schwarzen Mann" gewarnt wurde, ist auch noch nicht lange vorbei.
All das kann einem durch den Kopf gehen, wenn man sich diese Wanderausstellung – genauer: diese partizipative Kunstinstallation – anschaut: die Sklavengewänder an der obersten Leine, die Hintergrundtexte an der mittleren und die persönlichen Stellungnahmen der Gäste an der untersten. Womit wir bei Ihnen wären, liebe Besucherinnen und Besucher: Woran denken Sie, wenn Sie an Kolonialismus denken?
Normalerweise würde diese Installation von zwei Personen betreut. Sie wären vor Ort und stünden zur Verfügung, wenn jemand eine Frage stellen, Widerspruch einlegen oder eine eigene Erfahrung erzählen wollen würde.
Wegen Corona geht das jetzt nicht. Trotzdem sind Sie herzlich eingeladen, auf die Ausstellung zu reagieren und mit Ihrem Beitrag das "Nachdenken über Kolonialismus" zu bereichern. Schreiben Sie an: meinereaktion2020[at]gmail.com
Mächtige, die immer mächtiger werden. Arme, die mit immer weniger auskommen müssen. Persönliche Interessen, die über dem Gemeinwohl stehen. Bestechung. Unehrlichkeit. Ausbeutung. Gewalt. Die Aufzählung liesse sich fortsetzen, aber auch so birgt sie genügend Sprengkraft.
Denn was sich liest wie die stichwortartige Zusammenfassung von diktatorischen Regierungen unserer Zeit, lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Persönliche Interessen führten auch in der Eidgenossenschaft des 16. Jahrhunderts dazu, dass sich Regierungsmitglieder im Versteckten mit feindlichen Parteien verbündeten, um zu noch mehr Geld und Ehre zu kommen. Im Fall der Ereignisse, die 1513 zum Könizer Brief führten, waren es die Ratsherren der Stadt Bern, die sich von der französischen Regierung bestechen liessen: sie vermittelten Söldner nach Frankreich, die ein paar Monate später auf den Schlachtfeldern der Lombardei gegen ihre Landsleute kämpfen sollten: Die Eidgenossenschaft verteidigte damals die Stadt Mailand gegen die Eroberung durch französische Truppen. Dass die Berner Herren Geld "vom Feind" annahmen, um ihre Untertanen in den Krieg zu schicken, war für die Landbevölkerung zu viel. Die Könizer Bauern rebellierten. Und anders als viele andere in ähnlichen Situationen, waren sie erfolgreich: Die Annahme von Geld wurde verboten und die Landbevölkerung erhielt ein Mitspracherecht, wenn Bündnisse mit auswärtigen Mächten geschlossen werden sollten.
Die Unterdrückung der Bevölkerung durch die so genannten Eliten, die Einschüchterung, die Bestrafung – das alles gehört auch heute noch in vielen Gegenden zum machtpolitischen Spiel. Wer an der Macht ist, hat recht und kann tun, was er oder sie will. Den Preis zahlen andere
Nehmen wir dieses Verhalten auch noch als Kolonialismus wahr? Was verstehen wir, was verstehen SIE heute unter Kolonialismus? Ist es das Verhalten der Mächtigen gegenüber den Schwachen? Ist es die Meinung, "man" sei etwas Besseres? Ist es die Überzeugung, Fremdes müsse sich anpassen?
Was bedeutet Kolonialismus für SIE, liebe Besucherinnen und Besucher? Das interessiert die Künstlerin Cilgia Rageth, die diese Ausstellung konzipiert hat und sie auch betreut. Cilgia Rageth will wissen, was Ihnen in den Sinn kommt zum Thema Kolonialismus. Schreiben Sie Ihre Gedanken und Überlegungen an: meinereaktion2020[at]gmail.com und arbeiten Sie mit an der Weiterentwicklung des Kunstwerks.
Nachdenken über das koloniale Erbe – ja, gerne! Ich glaube, dass wir in der Schweiz zu diesem Thema bislang wenig, ja viel zu wenig wissen, weil wir davon ausgehen, dass wir damit nichts zu tun haben. Und in einem gewissen Sinn stimmt das ja auch: es gab bekanntlich nie Schweizer Kolonien in Afrika oder anderswo. Und doch – indirekt gab es sehr wohl Beziehungen mit Personen und Institutionen aus der Eidgenossenschaft und auch später aus der modernen Schweiz, die im Zusammenhang mit Sklaverei und Ausbeutung eine nicht untergeordnete Rolle gespielt haben, namentlich bezüglich finanzieller Verflechtungen. Die Ausstellung von Cilgia Rageth lädt uns dazu ein, hierüber nachzudenken – dies jedoch nicht in einem anklagenden, sondern vielmehr aufklärerischen Sinn, weil das Nachdenken über Geschichte keine Gerichtsangelegenheit sein kann, sondern dazu beitragen muss, das Hier und Jetzt jenseits von Mythen oder Verklärungen zu verstehen. Diese Diskussion hat in der Schweiz erst in Ansätzen stattgefunden, die Schulen sind noch weit davon entfernt, die jüngsten Erkenntnisse zu diesem Thema konsequent in den Unterricht einfliessen zu lassen. Wichtig ist mir bei all dem, dass wir nicht über jene moralisch erbost urteilen, die damals im Sklavenhandel verstrickt waren – aus heutiger Perspektive wäre das doch etwas zu einfach und bequem. Es muss vielmehr darum gehen, die eigene Geschichte mit all ihren Schattenanteilen anzunehmen und kritisch aufzuarbeiten. In diesem Sinn halte ich wenig etwa von der Idee, Denkmäler umstrittener Persönlichkeiten abzureissen. Dies würde darauf hinauslaufen, die Geschichte nachträglich auslöschen zu wollen statt sie, ganz im Sinn der Aufklärung, in einen kritischen Kontext zu stellen. Ähnliches gilt für mich bezüglich heute umstrittener Wörter bzw. Begriffe, die noch vor wenigen Jahrzehnten in unserem Land als «normal» galten, so etwa der «Mohrenkopf», auch dies ein Erbe kolonialer Attitüden. Es genügt nicht, sie einfach verbieten zu wollen, Weit wichtiger wäre es, solche Begriffe zum Anlass zu nehmen, über uns und unsere Vergangenheit, aber auch über unseren oftmals saloppen Umgang mit Sprache, nachzudenken. Ich freue mich daher, dass die Ausstellung nun auch in Biel Zwischenhalt macht und uns zum Nachdenken einlädt – und auch zum Handeln für eine bessere Welt jenseits von Unterdrückung und Machtansprüchen.
Réfléchir à l’héritage colonial: oui, volontiers ! Je crois qu’en Suisse, nous ne savons pas encore grand-chose, même bien trop peu de choses, sur cette question, car nous partons de l’idée que cela ne nous concerne pas. Et dans un certain sens, c’est vrai. Comme chacun sait, la Suisse n’a en effet jamais eu de colonies en Afrique, ni ailleurs. Et pourtant, indirectement, des relations avec des personnes et des institutions de la Confédération, puis, plus tard, de la Suisse moderne, ont très probablement joué un rôle important en matière d’esclavage et d’exploitation, notamment en ce qui concerne les relations financières. L’exposition de Cilgia Rageth nous invite donc à y réfléchir, et ce, non pas dans un sens accusateur, mais bien plutôt éclairant, car réfléchir à l’histoire ne doit pas être une affaire judiciaire. Au contraire, une telle démarche doit aider à comprendre le présent au-delà des mythes ou des récits enjolivés. Cette discussion en est à ses balbutiements en Suisse et les écoles sont encore bien loin d’intégrer de manière conséquente dans l’enseignement les dernières connaissances sur cette question. Ce qui me semble important dans tout cela, c’est que nous ne portions pas un jugement outré sur le plan moral envers les personnes qui étaient à l’époque impliquées dans le commerce des esclaves. En effet, cela serait bien trop simple et confortable de le faire d’un point de vue actuel. Il s’agit plutôt d’accepter sa propre histoire avec toutes ses parts d’ombre et de faire sur elle un travail critique. Dans cette perspective, je ne suis guère convaincu de l’idée de démolir les monuments des personnalités controversées. Cela reviendrait à vouloir effacer l’histoire a posteriori au lieu de la replacer dans un contexte critique, avec une volonté de l’expliquer. Il en va de même pour moi en ce qui concerne des mots aujourd’hui controversés qui étaient considérés comme «normaux» dans notre pays il y a encore quelques décennies, comme «tête de nègre», héritage, là aussi, d’attitudes coloniales. Il ne suffit pas de vouloir simplement interdire ces termes; il serait bien plus important d’en profiter pour mener une réflexion sur nous-mêmes et sur notre passé, mais aussi sur notre usage souvent familier de la langue. Je suis donc heureux que cette exposition s’arrête à Bienne et nous invite à réfléchir, mais aussi à agir pour un monde meilleur, au-delà de l’oppression et des luttes de pouvoir.
Dass die Freiluftinstallation "Nachdenken über das koloniale Erbe" vom 21. Mai bis am 14. Juni 2021 in unserem Kreuzackerpark zu sehen sein wird, passt ausgezeichnet in unser Jubiläumsjahr "2000 Jahre Stadt Solothurn". Zum "Nachdenken über das koloniale Erbe" gehört nämlich auch eine nachdenkliche Sicht auf das Söldnerwesen, das bekanntlich die Geschichte der Stadt Solothurn wesentlich mitgeprägt hatte. Seit den Burgunderkriegen haben sich jährlich Tausende von Schweizern, darunter viele Solothurner, fremden Heeren angeschlossen, um vom Kriegshandwerk zu leben und wenn möglich vermögend nach Hause zurückzukehren. Selbstverständlich zogen auch damals die jungen Burschen nicht nur freiwillig in die Fremde, um dort an Kriegen teilzunehmen. Auch ihnen war bekannt, dass sie damit einer lebensgefährlichen "Erwerbstätigkeit" nachgehen würden. Aber – welch anderer "Erwerb" wäre ihnen möglich gewesen? Die Schweiz vermochte damals ihre Einwohner niemals mit Arbeit oder mit Nahrung zu versorgen. Von den jeweils vielen Kindern einer Familie konnte nur eines den Hof übernehmen. Einige gingen ins Kloster, weitere Mädchen verheirateten sich, aber viele Burschen waren schlicht und einfach «überschüssig». Die Aussicht auf ein derart trauriges Dasein sowie die schiere Not ihrer Familie liess das Söldnerwesen europaweit aufblühen. Dass sich die Schweizer Soldaten auf dem Schlachtfeld tapfer schlugen, hatte sich schon früh in den europäischen Höfen herumgesprochen. Und als die reformierten Kantone der Aufforderung Zwinglis folgten und das Söldnerwesen verboten, sah sich der französische König gezwungen, die beliebten Schweizer Söldner an einem katholischen Ort anzuwerben. Seine Wahl fiel auf Solothurn, das früher zum Burgunderreich gehört hatte und sich zudem nahe an der Sprachgrenze befindet. So liessen sich die französischen Botschafter zwischen 1530 und 1792, also bis zum Beginn der Französischen Revolution, im kleinen Solothurn nieder. Um die Bedeutung des Solddienstes für unseren Kanton zu ermessen, ist darauf hinzuweisen, dass im 17. Jahrhundert praktisch permanent 4000 Solothuner Söldner in der Fremde Kriegsdienste leisteten. Das war damals etwa ein Achtel der Kantonsbevölkerung! Dank dem Geld, das mit den überlebenden Söldnern und vor allem natürlich von den Söldnerführern sowie direkt aus der französischen Ambassade in die Stadt floss, konnten unser Wahrzeichen, die St. Ursenkathedrale, unsere Stadtbefestigung und zahlreiche weitere Bauwerke erbaut werden, die heute unsere Altstadt prägen. Wir müssen uns bei aller Bewunderung für unser Stadtbild und dessen Wahrzeichen immer bewusst sein, dass diese vor allem durch das blutige Handwerk unserer Vorfahren möglich geworden sind. So sehen wir unsere zweitausendjährige Geschichte, die wir im letzten und in diesem Jahr feiern wollen, differenzierter und damit ehrlicher.
Das ist meine Reaktion zum Thema Kolonialismus und Söldnerwesen. Was sind Ihre Gedanken dazu? Schreiben Sie an meinereaktion2020@gmail.com
Unsere Geschichte bestimmt unsere Identität entscheidend mit. Das gilt auf allen Ebenen. Es gilt für uns als Individuen, für Gemeinden, Kantone und für unser Land. Unsere Vergangenheit ist mitentscheidend für unser heutiges Sein, für unsere Vorstellungen und Handlungen. Darum ist es wichtig, dass wir unsere Geschichte kennen.
Die Herausforderung dabei ist, dass diese Geschichte möglichst alle Aspekte einbezieht, dass sie möglichst umfassend ist. So gehört zum Beispiel zur Geschichte des Schloss Schadau in Thun, einem Wahrzeichen unserer Stadt, nicht nur, dass Abraham Denis Alfred de Rougemont das Gebäude zwischen 1846 und 1852 in der heute charakteristischen Form erbaute und dass sich der Schlossherr in Thun sehr wohltätig zeigte. Es ist auch Teil der Geschichte, dass das Vermögen der Familie de Rougemont unter anderem aus der aktiven und passiven Beteiligung am Sklavenhandel stammte. Abraham Denis Alfred de Rougemonts Vater gründete 1786 zusammen mit Hans Conrad Hottinger die Bank Rougemont, Hottinger & Cie. Diese beteiligte sich finanziell an Überseehandelsunternehmungen in den Sklavenexpeditionshäfen Le Havre, Nantes, Marseille und Genua. Alle diese Aspekte sind Teil der Vergangenheit der de Rougemonts, des Schloss Schadau und der Stadt Thun. Alle diese Aspekte sollen Teil der Geschichtsschreibung sein. Dieser Anspruch an eine ganzheitliche Geschichtsschreibung ist herausfordernd.
Dazu kommen zwei weitere Herausforderungen. Einerseits müssen wir anerkennen, dass die Vergangenheit unser heutiges Denken prägt. Das ist nicht immer einfach, denn dazu gehört auch Selbstkritik. Was macht die Tatsache, dass die Schweizer Eidgenossenschaft stets grösstenteils unabhängig war mit unserem Selbstbild? Und wie beeinflusst diese Tatsache unser Denken gegenüber unterdrückten Staaten oder unterdrückten Menschen?
Andererseits stellt sich die Frage, ob und wie wir geschichtliche Ereignisse werten. Können wir in jedem Fall ein früheres Ereignis mit den moralischen Massstäben und dem Wissen von heute beurteilen? Das ist aus meiner Sicht schwierig und problematisch. Meines Erachtens müssen wir bestrebt sein, uns in die damalige Situation und die Moralvorstellungen hineinzuversetzen, bevor wir urteilen.
Das sind meine Gedanken über koloniales Erbe. Und was sind Ihre? Teilen Sie sie im Rahmen der partizipativen Kunstinstallation von Cilgia Rageth – vom 15. Juni bis 15. Juli 2021 in der Schadaugärtnerei in Thun oder auf weiteren Stationen der Ausstellung, sofern es die Corona-Pandemie zulässt. So oder so können Sie Ihre Gedanken auch via meinereaktion2020[at]gmail.com schildern.
©2023 Cilgia Rageth